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ie kleinen Delfine

Kindergeschichten und MärchenHerr Spitzke

 

Herr Spitzke - eine Igelgeschichte

Herr Spitzke wohnt in der Stadt. Manche Leute werden vielleicht sagen, wer in einem Garten lebt, wohnt doch nicht in der Stadt. Einerlei, Herr Spitzke hat davon gehört, wie Igel auf dem Land wohnen, das ist doch noch etwas anderes. Es hat lange gedauert, bis er diesen Garten gefunden hatte. Längst nicht alle Gärten sind so, daß ein Igel gut darin wohnen kann. Mit Grauen denkt Herr Spitzke an die kurz geschnittenen Rasenflächen in den Nachbargärten, da liegt kein Ast herum, auf dem ein Käfer krabbeln könnte, kein Blatt, unter dem vielleicht eine Schnecke zu finden wäre. Nein, da hat Herr Spitzke es in seinem Garten doch besser. Viele Laubhaufen gibt es hier nämlich, in denen er sich verstecken kann.

"Ja, so liebe ich die Blätter", denkt er, "gerade ein bischen feucht, ganz leicht vermodert, dann ist es warm in dem Haufen und der Geruch kitzelt sanft in der Nase". Voller Genuß kneift er ein Auge zu.
"Bloß keine nassen Blätter", er schüttelt sich, wenn er daran denkt, dieser Winter damals, als auch dieser Garten noch blank und leer gefegt war. Mühevoll hatte er sich damals unter einer Hecke ein paar Blätter zusammengeschoben. Was war das für ein jämmerlicher Haufen gewesen.

Die Krähen hatten ihn damals ausgelacht. Auf die Krähen war er sowieso nicht gut zu sprechen. Ja, in dem besagten Winter war es besonders schlimm gekommen. Ständig hatte Herr Spitzke damals niesen müssen, war aus dem Winterschlaf aufgewacht.
"Niesender Igel, schau in den Spiegel!" hatten die Krähen ihm zugerufen. Ärgerlich, höchst ärgerlich.


Zum Glück wurde im darauf folgenden Jahr alles anders. Der Frühling kam, die Tage wurden länger und bald schien die Sonne wieder richtig warm. Die Meisen und Mauersegler erzählten von fremden Ländern. Ausflüge konnten wieder unternommen werden. Die Stelle mit den dicken Schnecken wurde wiederentdeckt. Kurzum, Herr Spitzke hatte wieder allen Grund, vergnügt pfeifend aus seinem Stachelkleid zu schauen und durch den Garten zu trippeln.
Gewiß, die Nahrungssuche im Frühjahr war schon mühsam, kaum noch Winterspeck, da hieß es auf Trab sein, damit der Magen nicht gar so heftig knurrte.
Allerdings hatte auch dieser Frühling nicht nur seine Sonnenseiten. Vergebens hielt Herr Spitzke Ausschau, sein alter Freund, Schaufler, der Maulwurf, ließ sich einfach nicht blicken. Man weiß ja, Maulwürfe lassen sich natürlich selten blicken, schauen kaum mal aus ihrem Erdhügel heraus.


"So manches besinnliche Gespräch haben wir miteinander geführt", überlegte Herr Spitzke. Ob ihm etwas zugestoßen war? Eine Falte legte sich über Herrn Spitzkes Nase und tief sog er die Luft ein. Warum mußte sich Schaufler immer so auffällig benehmen?
Solche Hügel, warum denn so groß? Zeigen wer Maulwurf ist, sich bemerkbar machen, Platz schaffen, Schaufler konnte so viel darüber erzählen. Ein Vetter von ihm hatte einmal sieben Hügel gegraben, an einem Morgen, der Stolz in Schauflers Stimme klang noch in Herrn Spitzkes Ohren. Sieben Hügel!
Natürlich wußte Herr Spitzke auch, daß es das größte Vergnügen der Igelkinder ist, auf diesen Hügeln herumzutoben. Igelrolle, hinunterkugeln, das machte jederzeit großen Spaß. Gut konnte sich Herr Spitzke noch erinnern, an seine Zeit, als Igeljüngling, mit weichen Stacheln, immer ausgelassen, voller schwarzer Erde. An die mißbilligenden Blicke seines Vaters, an die sorgenvollen Ermahnungen seiner Mutter. Maulwurshügel bedeuteten großes Vergnügen, für Igelkinder.

Doch die Krähen wußten auf diese Weise selbstverständlich auch, wo sich Schaufler und seine Familie aufhielten. Warum allerdings manchmal die Menschen fluchend, voller Wut auf den Hügeln herumtrampelten, das konnte Herr Spitzke überhaupt nicht verstehen. Schöne schwarze Erdhaufen, das brachte doch mal ein bischen Abwechslung in das eintönige, langweilige Grün des Rasens. Jedenfalls war Schaufler den ganzen Sommer nicht mehr aufgetaucht. So konnte er auch nicht miterleben, welche aufregenden Ereignisse sich in diesem Sommer, in diesem Garten ereigneten.

Zuerst waren Herrn Spitzke die vielen großen Kisten aufgefallen, die eines Tages vor der Haustür standen, im Vorgarten, auf dem Rasen. Männer in blauen Arbeitsanzügen liefen eilig hin und her. Verwundert hatte Herr Spitzke ihnen dabei zugeschaut, aus seinem Versteck unter der Hecke; warum hatten die Männer Handschuhe getragen, es war doch gar nicht mehr kalt gewesen? Die Männer waren offenbar sehr in Eile, sie liefen hin und her, auch über den Rasen, knickten sogar einige von den weißen und blauen Krokussen. Niemand schimpfte. Erstaunlich, erstaunlich!
Herr Spitzke konnte sich noch sehr gut an das Theater erinnern, als einmal ein bunter Ball über den Gartenzaun geflogen war. Es kamen Kinder, sie wollten ihren Ball zurückholen, kamen fröhlich über den Rasen gesprungen, lachten; oh, da hatte es ein Geschimpfe und Gezanke gegeben.

Nachdem die Kisten alle in das Auto geladen waren, schleppten die Männer die Möbel auf die Straße. Es kam noch ein Auto, die Möbel verschwanden darin, das Auto fuhr ab. Herr Spitzke beobachtete noch einen Mann mit einem schwarzen Hut, der lief noch einige Male mit wichtiger Mine um das Haus herum, stieg dann auch in ein Auto, so ein langes, schwarzes, das brummte einmal leise auf, dann war es um die Ecke verschwunden. Dann war es schließlich ganz still, der Garten lag wie ausgestorben da.

Es verging einige Zeit, es regnete, dann schien wieder die Sonne, Herr Spitzke konnte einen Apfel und eine Birne im Laub suchen, beim zählen war er nicht so gut, so konnte er sich nicht mehr genau erinnern, wieviel Tage vergangen waren, bis wieder ein Auto vor der Gartentür stand. Der Rasen war jedoch ziemlich hoch gewachsen und so traute sich Herr Spitzke fast bis zum Gartenzaun.
Doch da bekam er gleich einen gewaltigen Schreck. Ein Junge und ein Mädchen kamen durch das Gartentor gesaust, und dann war plötzlich der ganze Garten voller Menschen. Sie rannten hin und her, trugen Kisten und Möbel, liefen manchmal ganz dicht an Herrn Spitzke vorbei. Plötzlich, ein lauter Aufschrei:
"Ein Igel, hier gibt es Igel im Garten!"

Obwohl sich Herr Spitzke so eng zusammengerollt hatte, er war entdeckt. Da standen sie nun alle herum, redeten laut, gerne hätte Herr Spitzke mal ein Auge auf die Kinder riskiert, neugierig wie er nun einmal war und obwohl er nicht wirklich Angst hatte, er blieb doch lieber zusammengerollt, in der sicheren Igelrolle. Die Stimmen wurden immer aufgeregter, Herr Spitzke konnte gar nichts mehr verstehen, mit einem Mal fühlte er sich hochgehoben und dann schaukelte es schrecklich.
"Laßt das arme Tier jetzt doch endlich mal in Ruhe", hörte er eine energische Frauenstimme. "Ein wild lebendes Tier, das wird nicht einfach angefasst!" Da wurde er vorsichtig abgesetzt, zum Glück unter seiner Hecke, dicht an einem Blätterhaufen. Da war es für ihn nicht schwer, flink und geschickt davonzuhuschen und sich in den Blättern zu verstecken.
Nun ist es wohl vorbei mit meiner Ruhe, dachte er, jetzt heißt es wieder aufpassen, sich vor dem knatternden und stinkenden Rasenmäher in acht nehmen. Doch dann wurde alles ganz anders. Gewiß, im Garten war viel mehr Betrieb als früher, so richtig Jubel, Trubel, Heiterkeit, wie die dicke Amsel etwas verstimmt bemerkte, "Wozu singt man denn da noch, gegen diese lauten Stimmen kommt ja niemand an, trillii, trillliliie!"

Der Junge, der jetzt in diesem Haus wohnte, war eines abends mit einer Trillerpfeife in den Garten gekommen, hatte einen ohrenbetäubenden Lärm veranstaltet, daß sogar die Mutter den Kopf aus dem Küchenfenster steckte und rief:
"Jaahann, stell doch bitte endlich mal den Dampf bei deiner Lokomotive ab, mein Trommelfell platzt gleich!"
Gerade in diesem Augenblick begann die dicke Drossel mit dem Jungen um die Wette zu trillern. Jan merkte das natürlich.
"Sie antwortet mir, Mama, sie antwortet mir, Jeannette, Jeannette, ich kann mit der Drossel sprechen", schrie der Junge ganz aufgeregt. Da antwortete eine Mädchenstimme, irgendwo aus dem Haus: "Ich habe es schon immer gewußt, Jan, daß es bei Dir piept, und außerdem ist das eine Amsel".
"Du bist oberblöd und bloß neidisch", brüllte der Junge zurück und er hatte jetzt einen knallroten Kopf.
"Hört auf zu streiten", tönte nun die Stimme der Mutter wieder aus der Küche, "das Abendessen ist fertig."
Der Junge verschwand im Haus und es wurde wieder ruhiger im Garten. Die dicke schwarze Amsel denkt wohl, sie hat gewonnen, überlegte Herr Spitzke, die plustert sich ja jetzt besonders auf, da ober auf ihrer Fernsehantenne.

Nun gibt es allerdings auch in letzter Zeit viel Konkurrenz hier im Garten, so viele Vögel, Herr Spitzke wundert sich, wo die alle plötzlich herkommen. Sogar ein Specht wohnt seit einiger Zeit in dem alten Kirschbaum, von den Meisen ganz zu schweigen. Der Garten ist jetzt richtig mit Leben erfüllt. Bunte Blumenstauden verströmen üppigen Duft, Hummeln und Bienen summen den ganzen Tag herum, Schmetterlinge flattern im Sonnenlicht von Blüte zu Blüte, drehen sich zierlich nach allen Seiten und zeigen ihre bunten, zarten Flügel. Herr Spitzke schaut ihnen voller Vergnügen zu, fliegen, denkt er und seufzt sehnsuchtsvoll.

In einer Ecke des Gartens, an einem schattigen Plätzchen, dicht am Zaun, ist ein richtiger Komposthaufen gewachsen, ein wahres Schlaraffenland für eine Igel. Das Gras ist so hoch geschossen, daß er am hellichten Tage herumspazieren konnte, er ist so gut darin versteckt, nicht einmal die Krähen können ihn entdecken. Ha, das freut ihn !
An diesem Abend, er hat sich ein gemütliches Plätzchen nahe beim Holunderbusch gesucht, die Sonne steht schon ziemlich tief, wärmt aber noch immer sein Stachelkleid, so daß er wohlig seine Augen schließt und den Tönen des Abend lauscht.

Plötzlich hört Herr Spitzke ein Geräusch, daß ihm ungewöhnlich erscheint. Schräg hinter ihm, in der Hecke am Zaun bemerkt er ein kräftiges Rascheln, das war keine Maus und auch kein Vogel. Sicherheitshalber rollt er sich erst einmal zusammen, bis seine schützenden Stacheln ihn völlig bedecken, dann dreht er sich vorsichtig herum und lugt mit schwarzen Knopfaugen aufmerksam hinüber zum Zaun.
Ach du meine Güte, denkt er, das kann ja aufregend werden. Von der anderen Seite des Zaunes, er traute seinen Augen kaum, schaute sie ihn an, eine Igeldame, hier in seinem Garten, Herr Spitzke mußte sich verbessern, im Nachtbargarten sitzt sie, doch immerhin sie schaut ihn an, da gibt es keinen Zweifel, sein Igelherz klopft, klopft gewaltig, sie muß es hören, denkt er, einerlei, was soll ich sagen?.
"Herzlich willkommen", vielleicht, wie sein Vater immer Tante Agathe begrüßt hatte, oder "Ich bin sehr erfreut Sie begrüßen zu dürfen", nein das klang auch nicht gut.
Ach, all die vielen Ermahnungen, die ihm seine Mutter und sein Vater mit auf den Weg gegeben hatten, nie hatten sie davon gesprochen, wie man eine Igeldame begrüßt, an einem solchen Abend, mit dem Gesang der Amsel in der Luft und der Wärme der Sonne auf dem Stachelkleid. Was soll er nur zu der Igeldame sagen ?
Er spürte die Aufregung, ganz deutlich. Das war der Abend. Heute sollte es geschehen. Ja, darauf hatte er gewartet, so viele Tage und Nächte, nie hatte er aufgegeben, daran zu glauben.
Er nahm all seinen Mut zusammen und trippelte mit blitzenden Igelaugen zum Zaun hinüber, um die Igeldame zu begrüssen.

 

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